Ist mir doch egal, was ihr von mir denkt!“

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Ist mir doch egal, was ihr von mir denkt!“

Ihr Lieben,
wir leben zur Zeit in der dunkelsten Zeit des Jahres. Besonders in den Monaten November und Dezember ist die Dunkelheit zu spüren. Auch die Welt in der wir Leben hat viele dunkle Seiten. Die Welt ist Dunkel im Advent. Und in diese Dunkelheit hinein sprechen die adventlichen Bibeltexte. Sie weisen uns auf das Licht, auf das Licht von Weihnachten. Jesus Christus kommt in unsere Welt und bringt das Licht des Lebens. Genau darum zünden wir in der Advents- und Weihnachtszeit Kerzen und Lichter an. Sie sind Zeichen des Glaubens gegen die Dunkelheit in unserer Welt.
Doch heute geht es in unserem Bibelwort nicht in erster Linie um die Dunkelheit der Welt, sondern es geht um die Dunkelheiten und Schattenseiten des christlichen Gemeindelebens.
Der Apostel Paulus schreibt an die Christen von Korinth in seinem 1. Brief in Kapitel 4,1-5:
1.Korinther 4,1-5
Das Urteil, auf das alles ankommt
1 Nun wisst ihr auch, wie ihr von uns denken müsst: Diener Christi sind wir, denen die Verkündigung der Geheimnisse anvertraut ist, die Gott uns enthüllt hat.
2 Und was erwartet man von jemand, dem eine Aufgabe anvertraut ist? Man erwartet, dass er sie zuverlässig ausführt.
3 Allerdings hat es für mich keinerlei Bedeutung, welches Urteil ihr über mich fällt oder ob sonst irgendeine menschliche Instanz über mich zu Gericht sitzt. Nicht einmal ich selbst maße mir ein Urteil über mich an.
4 Ich wüsste zwar nicht, dass ich mir etwas hätte zuschulden kommen lassen, aber damit bin ich noch nicht gerechtfertigt. Entscheidend ist das Urteil, das der Herr über mich spricht.
5 Urteilt also nicht vorschnell, ´sondern wartet,` bis der Herr kommt. Er wird alles Verborgene ans Licht bringen, alles, was jetzt noch im Dunkeln liegt, und wird die geheimsten Gedanken der Menschen aufdecken. Dann wird jeder von Gott die Anerkennung bekommen, die er verdient.
So werden wir durch Paulus davor bewahrt, mit unseren so frommen Fingern auf all die finsteren und allzu weltlichen, allzu menschlichen Auswüchse zu zeigen. Wir tun das ja nicht nur zur Advents- und Weihnachtszeit. Wie schnell sind wir dabei als fromme Christen andere zu verurteilen, weil sie anders sind als wir, weil sie „böse“ sind und in einer schlimmen Welt leben. Wir ziehen uns dann als die Frommen gern in unsere vermeintlich so heilen und heiligen vier Wände zurück. Wir ziehen uns zurück in den Kuschelclub der Erretteten.
Wer von euch kann sich das vorstellen, dass an Weihnachten die anderen gerettet werden und der Stern des Heiles über ihnen aufgeht und wir als die Frommen uns trostlos unterm Weihnachtsbaum wieder finden? Ich kann mir das leider sehr gut vorstellen.
Da ist sie nun - diese Powergemeinde in Korinth. In ihr gibt es alles, was man sich als Christ in einer Gemeinde wünscht. Jeder Pfarrer, dessen Herz für missionarischen Gemeindeaufbau schlägt, würde heute gern dort Pfarrer sein.
In dieser Gemeinde gibt es alle Geistesgaben, da gibt es Diakonie und Armenpflege. Da gibt es tolle Gemeinschaft und brilliante Prediger. Da gibt es Menschen, die wirklich auf der Suche nach dem richtigen und erfüllten Leben sind. Und man ist bestrebt sich aus den Fesseln der falschen Moral durch die Kraft des Glaubens zu befreien.
Die Gemeinde in Korinth ist ein Kind der Mission des Apostel Paulus. Und der Vater der Gemeinde Paulus könnte doch stolz auf so eine Gemeinde sein.
Doch wir ahnen und wissen schon, dass es nicht so ist. Denn schon die Zusammenstellung der vielen guten Dinge, die man in dieser Gemeinde vorfindet, lässt erahnen, dass Spannungen vorprogrammiert sind, und dass all diese guten Dinge auch in der Christenheit nicht lange nebeneinander aushalten, ohne in Streit miteinander zu geraten.
Schnell bildeten sich da in der Gemeinde verschiedene Fraktionen, die dann alle ihr eigenen geistlichen Führer haben und die sich dann auch einander bekämpften.
Und der Apostel Paulus selber, sah in den Augen der Gemeinde in Korinth bald alt aus: Den Charismatikern war er nicht länger charismatisch genug, den Wohltätigen nicht sozial genug, den Hauskreisen nicht gesellig genug, den Predigern und Theologen nicht brillant genug, den Moralisten nicht gesetzestreu genug und den Liberalen nicht liberal genug. Und allen war er nicht menschliche Erscheinung genug und gesund genug. Kurz: Keiner wollte ihn eigentlich mehr so richtig haben.
Ihr Lieben,
das was da in Korinth geschehen ist, ist keine Ausnahme, sondern es ist symptomatisch für die weitere Geschichte der Christenheit bis heute auch hier in Fraureuth 2009 (in Gottesgrün 2009).
Die Geschichte der Christenheit ist - wie die Geschichte der Welt - eine Geschichte des Streit, der Spaltung, ja der Kriege.
Nicht einmal die Evangelischen haben es da anders gehalten und sind heute ein bunter Flickenteppich aller möglichen Glaubensprägungen, die sich auch gegenseitig ausspielen.
Und manchmal da konnte man dann doch gar nicht anders, als eine neue und bessere Gemeinde aufzumachen. Anfang der 90 iger Jahre war das Bestreben dazu hier in Ostdeutschland sehr groß. Doch die wenigsten haben es überlebt.
Ich sehe es z.B. in Jena. Da entstanden vielleicht 5-6 neue freie Gemeinden. Ich weiß nicht, ob von diesen heute überhaupt noch eine existiert.
Zu dem englischen Prediger Spurgeon kam einmal ein junger Mann, der meinte: „Ich bringe es einfach nicht fertig, mich einer der bestehenden Gemeinden anzuschließen. Sie sind alle zu weit weg vom Ideal.“ Darauf antwortete Spurgeon: „Das ist wahr, eine vollkommene Gemeinde gibt es nicht. Wenn Sie warten wollen, bis Sie eine vollkommene Gemeinde gefunden haben, so können Sie warten bis zu Ihrem Eintritt in den Himmel. Wenn Sie aber jemals vorher eine vollkommene Kirche finden, sollte diese sich weigern, Sie aufzunehmen. Sie hätte sonst aufgehört, vollkommen zu sein.“
Und ich und ihr seid mitten drin in dieser Unvollkommenheit. Denn auch wir fällen unsere Urteile. Da beurteilen wir die Prediger und Pfarrer, wie gut oder schlecht sie gepredigt haben, ob es dem Evangelium gemäß ist, ob er zu lasch oder zu gesetzlich war.
Wir beurteilen und verurteilen einzelne Gruppen und Kreise in unseren Gemeinden.
Und wenn wir in die Geschichte zurückblicken, gab es sicher für so manche Kirchen- und Gemeindespaltung gute Gründe und begründete Urteile.
Nun wir leben ja heute in einer Welt, in der Urteilsfähigkeit eines unser oberstes Bildungsziel ist. Kompetenz und Weisheit wünschen wir uns doch auch von einem Diener Christi und Haushalter über Gottes Geheimnisse - und dann geht der Streit schon los, was wir uns noch von ihm wünschen und was um Gottes Willen nicht.
Wie reagiert nun der Apostel Paulus auf alle dies Vorwürfe und Verurteilungen? Scheinbar tut er es mit Arroganz.
Scheinbar arrogant reagiert Paulus auf diesen Streit.
Es spielt für mich keine Rolle, welches Urteil ihr über mich fällt oder ob sonst irgendeine menschliche Instanz über mir zu Gericht sitzt. Nicht einmal ich selbst maße mir ein Urteil über mich an.
Ihr Lieben,
schön wäre es, wenn ich das manchmal auch so sagen könnte. Doch es ist nicht so. Letztens hat mir ein Bestatter vorgeworfen, dass ich ein schlechter Pfarrer bin, nur weil ich das nicht gemacht habe, was er wollte, und was er von einem Pfarrer erwartet. Nun das hat mich schon gewurmt. Ich will auch nicht bewerten, ob sein Vorwurf berechtigt war oder nicht.
Egal ob berechtigt oder unberechtigt – ich konnte nicht so einfach weiter gehen, wie der Apostel Paulus.
Paulus schreibt dann weiter: „Ich wüsste zwar nicht, dass ich mir etwas hätte zuschulden kommen lassen, aber damit bin ich noch nicht gerechtfertigt.“
Entscheidend ist das Urteil, das der Herr über mich spricht.
Urteilt also nicht vorschnell, ´sondern wartet,` bis der Herr kommt. Er wird alles Verborgene ans Licht bringen, alles, was jetzt noch im Dunkeln liegt, und wird die geheimsten Gedanken der Menschen aufdecken. Dann wird jeder von Gott die Anerkennung bekommen, die er verdient.
Paulus lässt also über der Dunkelheit einer in ihren Urteilen und Vorurteilen verstrickten und zerstrittenen christlichen Gemeinde, das Licht des Urteils Gottes aufleuchten. Es ist das Urteil, mit dem Gott den Gottlosen rechtfertigt, allein aus Gnade. Es ist das Urteil, welchem dem Jesus zu Weihnachten in der Dunkelheit der Welt, in einem schmutzigen Schafstall bei Bethlehem zur Welt kam und in einen Futtertrog gelegt wurde.
Paulus spricht hier von Gottes Gericht, vor welchem keiner von uns im Guten wie im Bösen Bestand hat, es sei denn, dass Gott ihn selbst aus seiner Gnade heraus gerecht spricht. Und das will er tun, deswegen wurde es Weihnachten.
Und auch das dürfen wir heute mit nach Hause nehmen: Dass wir schließlich einmal sehen werden, wie Gott uns in seiner Liebe und Güte sieht.
Dann wird einem jeden von Gott sein Lob zuteil werden.
Als christliche Gemeinde stehen wir heute genauso in der Gefahr, uns in der Dunkelheit wieder zu finden, wie die, auf die wir mit dem Finger in der Welt draußen zeigen.
Darum lasst uns durch die Botschaft von Weihnachten verändern werden, und uns abgewöhnen auf die Menschen da draußen und auch auf uns untereinander mit dem Finger zu sehen. Sondern lasst uns den anderen so sehen, wie Gott uns und den anderen sieht, mit den Augen seiner Liebe, seiner Gnade und Barmherzigkeit.
Sicher ist das nicht einfach und leicht, und wir werden scheitern, aber aufgeben dürfen wir nicht, weil uns Gott auch nicht aufgibt.
Genau die Zeit des Adventes mit dem Licht ermutigt uns dem Kommen Gottes zu trauen, welcher uns nicht in der Finsternis alleine lässt.
Wir dürfen im Advent dem Kommen Gottes trauen, der uns mit solcher Finsternis nicht alleine lässt. Der seine Göttlichkeit im Stall von Bethlehem aufgibt um unsere Menschlichkeit an sein Herz zu reißen.
Der Richter ist unser Retter, der barmherzige Gott und Vater von Jesus Christus. In seinem Urteil dürfen wir leben, frei und fröhlich sein.
Auch als Gemeinschaft von Christen hier in Fraureuth (Gottesgrün).
Amen
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